Wen es interessiert...
30.05.2025 15:31
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Multiple Sklerose: Tolebrutinib möglicherweise erstes Therapeutikum bei seltener Form
Deutsches Ärzteblatt, Montag, 7. April 2025
San Diego – Tolebrutinib könnte eine Therapiemöglichkeit bei einer seltenen Form der Multiplen Sklerose (MS) sein, doch gibt es noch offene Fragen. In einer randomisiert kontrollierten Studie senkte das Mittel das Risiko für ein Fortschreiten der Symptome bei Personen mit nicht schubförmiger sekundärer progredienter Multipler Sklerose (SPMS) um 31 %.
Die im vergangenen Jahr veröffentlichten Daten wurden beim diesjährigen Jahrestreffen der American Academy of Neurology (AAN) erneut vorgestellt (Abstractnummer: 2840) und nun im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden (2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2415988).
Die nicht schubförmige SPMS ist besonders schwer behandelbar. Bislang gibt es für diese Form der MS keine zugelassene Therapie. Auch eine Off Label Therapie ist in der S2k-Leitlinie nicht generell empfohlen, nur im Einzelfall kann demnach eine Therapie mit CD 20 probiert werden.
Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer (BTK-Hemmer) Tolebrutinib könnte dies ändern und befindet sich aktuell in einem beschleunigten Zulassungsverfahren bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA). Auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ist ein Zulassungsantrag eingereicht.
Zwar gab es auch unter der Therapie mit Tolebrutinib ein Fortschreiten der Behinderung Confirmed Disability Progression (CDP) doch war dieser um 10,3 %-Punkte geringer als unter Placebogabe.
In einem Beobachtungszeitraum von teils bis zu 45 Monaten verschlechterten sich die körperlichen Funktionen um 26,9 % unter Tolebrutinib und um 37,2 % unter Placebo (Hazard Ratio 0,69; 95-%-Konfidenzintervall 0,55;0,88).
Für die vom Hersteller Sanofi finanzierte HERCULES Studie wurden 1.131 Teilnehmende mit nicht schubförmiger SPMS 2:1 randomisiert, sodass 754 Personen das Medikament und 377 Patienten und Patientinnen ein Placebo erhielten.
Neben der verlangsamten Krankheitsprogression zeigte sich bei 10 % der Personen in der Tolebrutinib-Gruppe sogar eine Verbesserung bestimmter körperlicher Funktionen – unter Placebo war dies bei 5 % der Teilnehmenden zu beobachten.
„Das ist nicht viel, aber besser als alles, was wir bisher haben.“
Bernhard Hemmer, Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum der Technischen Universität München
Zusätzlich verminderte sich durch die Medikamentengabe das Risiko für neue T2 Läsionen um 38 % im Vergleich zum Placebo (adjustiertes relatives Risiko 0,62; 95-%-KI 0,43; 0,90).
„Die Ergebnisse bei der progredienten MS sind interessant und deuten darauf hin, dass das Medikament die Progression bei dieser Verlaufsform hinauszögern kann“ sagte Bernhard Hemmer, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum der Technischen Universität München (TUM) dem Deutschen Ärzteblatt.
Allerdings könne das Medikament die Progression nicht aufhalten, sondern eher verzögern. „Das ist nicht viel, aber besser als alles, was wir bisher haben.“
BTK-Hemmer sind hepatotoxisch
Doch gibt es zu Tolebrutinib nicht nur Positives zu berichten. Denn die Therapie mit BTK-Hemmern birgt die Gefahr einer Leberinsuffizienz. Eine Leberenzymerhöhung trat bei 4,0 % der Teilnehmenden in der Interventionsgruppe auf – bei 0,5 % war der Alanin-Aminotransferase-Wert (ALT) über 20 Mal höher als der obere Grenzwert.
Ein Studienteilnehmer verstarb infolge von postoperativen Komplikationen nach einer Lebertransplantation. MS-Experte Hemmer wirft die Frage auf, ob die moderaten klinischen Effekte des Medikaments in Anbetracht der Nebenwirkungen zu rechtfertigen sind.
Links
Abstract beim AAN Jahrestreffen
Hercules-Studie im NEJM
GEMINI-Studien im NEJM
Weitere Artikel
Interferon beta bei Multipler Sklerose: Auch bei sekundär- progredienter Form
Multiple Sklerose: Fischmahlzeiten könnten den Verlauf günstig beeinflussen
Multiple Sklerose: Frühe Veränderungen im Immunsystem
Unbeantwortet sei zudem auch, weshalb die therapeutischen Effekte bei der schubförmigen MS geringer ausfallen als bei der SPMS. In zwei Versuchen (GEMINI I und II) wurde Tolebrutinib bei Personen mit schubförmiger MS mit dem Immunsuppressivum Teriflunomid verglichen und konnte keine besseren Ergebnisse erzielen als das Vergleichsmittel (NEJM 2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2415985).
Dieser Umstand deute Hengel zufolge darauf hin, dass die Wirkung von Tolebrutinib durch einen direkten Effekt im Gehirn und nicht durch einen Effekt auf das periphere Immunsystem verursacht sein könnte.
Allerdings sei ungeklärt, weshalb sich keine Unterschiede in der Hirnatrophie zeigten, laut Hengel ein sensitiver Marker für die Krankheitsprogression. Ein Vorteil von Tolebrutinib gegenüber Teriflunomid zeigte sich jedoch in einer Subgruppe von Erkrankten mit weniger Schüben.
Nachteilig war dagegen eine höhere Anzahl Gadolinium anreichernder T1 Läsionen unter Tolebrutinib. Hemmer findet die Daten für die schubförmige MS „enttäuschend“. Von einem Zulassungsantrag für die Indikation schubförmige MS hat Sanofi abgesehen.
Deutsches Ärzteblatt, Montag, 7. April 2025
San Diego – Tolebrutinib könnte eine Therapiemöglichkeit bei einer seltenen Form der Multiplen Sklerose (MS) sein, doch gibt es noch offene Fragen. In einer randomisiert kontrollierten Studie senkte das Mittel das Risiko für ein Fortschreiten der Symptome bei Personen mit nicht schubförmiger sekundärer progredienter Multipler Sklerose (SPMS) um 31 %.
Die im vergangenen Jahr veröffentlichten Daten wurden beim diesjährigen Jahrestreffen der American Academy of Neurology (AAN) erneut vorgestellt (Abstractnummer: 2840) und nun im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden (2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2415988).
Die nicht schubförmige SPMS ist besonders schwer behandelbar. Bislang gibt es für diese Form der MS keine zugelassene Therapie. Auch eine Off Label Therapie ist in der S2k-Leitlinie nicht generell empfohlen, nur im Einzelfall kann demnach eine Therapie mit CD 20 probiert werden.
Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer (BTK-Hemmer) Tolebrutinib könnte dies ändern und befindet sich aktuell in einem beschleunigten Zulassungsverfahren bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA). Auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ist ein Zulassungsantrag eingereicht.
Zwar gab es auch unter der Therapie mit Tolebrutinib ein Fortschreiten der Behinderung Confirmed Disability Progression (CDP) doch war dieser um 10,3 %-Punkte geringer als unter Placebogabe.
In einem Beobachtungszeitraum von teils bis zu 45 Monaten verschlechterten sich die körperlichen Funktionen um 26,9 % unter Tolebrutinib und um 37,2 % unter Placebo (Hazard Ratio 0,69; 95-%-Konfidenzintervall 0,55;0,88).
Für die vom Hersteller Sanofi finanzierte HERCULES Studie wurden 1.131 Teilnehmende mit nicht schubförmiger SPMS 2:1 randomisiert, sodass 754 Personen das Medikament und 377 Patienten und Patientinnen ein Placebo erhielten.
Neben der verlangsamten Krankheitsprogression zeigte sich bei 10 % der Personen in der Tolebrutinib-Gruppe sogar eine Verbesserung bestimmter körperlicher Funktionen – unter Placebo war dies bei 5 % der Teilnehmenden zu beobachten.
„Das ist nicht viel, aber besser als alles, was wir bisher haben.“
Bernhard Hemmer, Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum der Technischen Universität München
Zusätzlich verminderte sich durch die Medikamentengabe das Risiko für neue T2 Läsionen um 38 % im Vergleich zum Placebo (adjustiertes relatives Risiko 0,62; 95-%-KI 0,43; 0,90).
„Die Ergebnisse bei der progredienten MS sind interessant und deuten darauf hin, dass das Medikament die Progression bei dieser Verlaufsform hinauszögern kann“ sagte Bernhard Hemmer, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum der Technischen Universität München (TUM) dem Deutschen Ärzteblatt.
Allerdings könne das Medikament die Progression nicht aufhalten, sondern eher verzögern. „Das ist nicht viel, aber besser als alles, was wir bisher haben.“
BTK-Hemmer sind hepatotoxisch
Doch gibt es zu Tolebrutinib nicht nur Positives zu berichten. Denn die Therapie mit BTK-Hemmern birgt die Gefahr einer Leberinsuffizienz. Eine Leberenzymerhöhung trat bei 4,0 % der Teilnehmenden in der Interventionsgruppe auf – bei 0,5 % war der Alanin-Aminotransferase-Wert (ALT) über 20 Mal höher als der obere Grenzwert.
Ein Studienteilnehmer verstarb infolge von postoperativen Komplikationen nach einer Lebertransplantation. MS-Experte Hemmer wirft die Frage auf, ob die moderaten klinischen Effekte des Medikaments in Anbetracht der Nebenwirkungen zu rechtfertigen sind.
Links
Abstract beim AAN Jahrestreffen
Hercules-Studie im NEJM
GEMINI-Studien im NEJM
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Interferon beta bei Multipler Sklerose: Auch bei sekundär- progredienter Form
Multiple Sklerose: Fischmahlzeiten könnten den Verlauf günstig beeinflussen
Multiple Sklerose: Frühe Veränderungen im Immunsystem
Unbeantwortet sei zudem auch, weshalb die therapeutischen Effekte bei der schubförmigen MS geringer ausfallen als bei der SPMS. In zwei Versuchen (GEMINI I und II) wurde Tolebrutinib bei Personen mit schubförmiger MS mit dem Immunsuppressivum Teriflunomid verglichen und konnte keine besseren Ergebnisse erzielen als das Vergleichsmittel (NEJM 2025; DOI: 10.1056/NEJMoa2415985).
Dieser Umstand deute Hengel zufolge darauf hin, dass die Wirkung von Tolebrutinib durch einen direkten Effekt im Gehirn und nicht durch einen Effekt auf das periphere Immunsystem verursacht sein könnte.
Allerdings sei ungeklärt, weshalb sich keine Unterschiede in der Hirnatrophie zeigten, laut Hengel ein sensitiver Marker für die Krankheitsprogression. Ein Vorteil von Tolebrutinib gegenüber Teriflunomid zeigte sich jedoch in einer Subgruppe von Erkrankten mit weniger Schüben.
Nachteilig war dagegen eine höhere Anzahl Gadolinium anreichernder T1 Läsionen unter Tolebrutinib. Hemmer findet die Daten für die schubförmige MS „enttäuschend“. Von einem Zulassungsantrag für die Indikation schubförmige MS hat Sanofi abgesehen.
Kommentare
Schreib auch du einen Kommentar
RiccardaRicci 30.05.2025 15:47
Dankeschön für diese Information. Verzeih mir, habe dein Beitrag kopiert und werde das meiner liebsten Freundin zukommen zu lassen, wenn du es mir erlaubtst.
Brummsel 30.05.2025 16:16
Mal abwarten,wie lang die Zulassung auf dem deutschen Markt beziehungsweise Europäischen dauert...😎
lockedj 30.05.2025 16:22
Für Menschen mit ständig fortschreitender MS ist das immerhin ein Lichtblick.
Bis jetzt gibt es da nämlich noch nix Genehmigtes, wahrscheinlich weil die
Zielgruppe in diesen Bereich zu klein und es schwer zu erkennen ist.
Bis jetzt gibt es da nämlich noch nix Genehmigtes, wahrscheinlich weil die
Zielgruppe in diesen Bereich zu klein und es schwer zu erkennen ist.
RiccardaRicci 30.05.2025 16:38
Ich leide jedesmal mit meiner Freundin, wenn sie spritzen muss, weil sie ihre Schübe bekommt. Eine schlimme Erkrankung.
RiccardaRicci 30.05.2025 16:58
Brummsel. Okay.
Mir ging es ja nur darum, wie diese Menschen mit MS darunter leiden und ob die Krankheit gegebenenfalls Fortschreitet im schlimmsten Fall.
Mir ging es ja nur darum, wie diese Menschen mit MS darunter leiden und ob die Krankheit gegebenenfalls Fortschreitet im schlimmsten Fall.
lockedj 30.05.2025 17:19
Alles ok Ricci, MS ist nun mal eine Scheißkrankheit,
ob mit Schüben, oder ohne!
Schübe sind halt noch einigermaßen therapiebar, SPMS nicht,
weil man keine bekommt.
Aber den Unterschied merken auch viele Ärzte und Neorologen nicht
einmal. Da kann man es schlecht von Laien erwarten!
ob mit Schüben, oder ohne!
Schübe sind halt noch einigermaßen therapiebar, SPMS nicht,
weil man keine bekommt.
Aber den Unterschied merken auch viele Ärzte und Neorologen nicht
einmal. Da kann man es schlecht von Laien erwarten!
RiccardaRicci 30.05.2025 17:24
Schulterzucke, stimmt .
Weiß leider zu wenig, aber durch deinen Beitrag werde ich mich bemühen bessere Kenntnisse mir zu erlesen.
Weiß leider zu wenig, aber durch deinen Beitrag werde ich mich bemühen bessere Kenntnisse mir zu erlesen.
lockedj 30.05.2025 17:44
Es gibt hier viele schlimme Krankheiten, aber man muss und kann
sich nicht in jede wirklich hineindenken.
sich nicht in jede wirklich hineindenken.
RiccardaRicci 30.05.2025 18:02
Da stimme ich dir voll zu. Ausserdem empfindet jeder für sich seine Erkrankung anders. Es lässt sich nicht verallgemeinern denke ich mal.
Wünsche euch allen ein ruhiges sonniges Wochenende. Schön mit euch sich auszutauschen.
Wünsche euch allen ein ruhiges sonniges Wochenende. Schön mit euch sich auszutauschen.
Beca 30.05.2025 19:43
heut war übrigens Welt MS Tag.
Vielleicht deshalb gab es auf WDR einen Beitrag zu einer Studio für ein MS Medikament.
Vielleicht deshalb gab es auf WDR einen Beitrag zu einer Studio für ein MS Medikament.
RiccardaRicci 30.05.2025 20:22
Beca das habe ich auch gesehen. War hochgradig interessant, vor allen der Herr der an der Studio als betroffener teilgenommen hat.