Handicap Love Schriftzug

Der Sommer war sehr groß...

Der Sommer war sehr groß...
Herbstgedicht

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.



Rainer Maria Rilke

Für mich das allerschönste Gedicht über den Herbst und die Vergänglichkeit des Lebens. Nehmt Euch ein paar Minuten Zeit und lasst die Schönheit der Worte auf Euch wirken!

Kommentare

Schreib auch du einen Kommentar
 
Nordlicht1961 10.11.2020 20:14
Das ist wirklich sehr schön, ich mag das Gedicht auch sehr. Hatte es kürzlich in einen Blog als Beitrag reingeschrieben, da ging es m.E. um Einsamkeit. Für mich ist auch dieses Thema darin spürbar.
 
(Nutzer gelöscht) 10.11.2020 20:45
Rilke ist einer meiner Lieblingspoeten 😍
 
Eisblume50 10.11.2020 21:01
Emmeline, schön, wieder von Dir zu hören!
 
(Nutzer gelöscht) 10.11.2020 21:11
Du musst das Leben nicht verstehen

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
 
Frangipani 10.11.2020 21:47
Ist auch mein Lieblings-Herbstgedicht, Eisblume. Einfach immer wieder schön!
 
Tommie53 10.11.2020 22:02
Astern - ein "Herbstgedicht" von Gottfried Benn - dessen Werk ich schätze, nicht aber die Person

Astern – schwälende Tage,

alte Beschwörung, Bann,
die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden,
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du –
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu,

noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewißheit wacht:
Die Schwalben streifen die Fluten
Und trinken Fahrt und Nacht.
 
(Nutzer gelöscht) 10.11.2020 22:13
Eugen Roth mit seinem Humor hilft gut in schlechten Momenten 😉

Kleine Ursachen 

Ein Mensch - und das geschieht nicht oft -
Bekommt Besuch, ganz unverhofft,
Von einem jungen Frauenzimmer,
Das grad, aus was für Gründen immer -
Vielleicht aus ziemlich hintergründigen -
Bereit ist, diese Nacht zu sündigen.
Der Mensch müßt nur die Arme breiten,
Dann würde sie in diese gleiten.
Der Mensch jedoch den Mut verliert,
Denn leider ist er unrasiert.
Ein Mann mit schlechtgeschabtem Kinn
Verfehlt der Stunde Glücksgewinn,
Und wird er schließlich doch noch zärtlich,
Wird ers zu spät und auch zu bärtlich.
Infolge schwacher Reizentfaltung
Gewinnt die Dame wieder Haltung
Und läßt den Menschen, rauh von Stoppeln,
Vergebens seine Müh verdoppeln.
Des Menschen Kinn ist seitdem glatt -
Doch findet kein Besuch mehr statt.
 
(Nutzer gelöscht) 10.11.2020 22:47
zurück zu Rilke 😎 

Die Blätter fallen

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
 
(Nutzer gelöscht) 11.11.2020 00:23
In den Nachmittag geflüstert

Sonne, herbstlich dünn und zag,
Und das Obst fällt von den Bäumen.
Stille wohnt in blauen Räumen
Einen langen Nachmittag.

Sterbeklänge von Metall;
Und ein blaues Tier bricht nieder.
Brauner Mädchen rauhe Lieder
Sind verweht im Blätterfall.

Stirne Gottes Farben träumt,
Spürt des Wahnsinns sanfte Flügel.
Schatten drehen sich am Hügel
Von Verwesung schwarz umsäumt.

Dämmerung voll Ruh und Wein
Traurige Guitarren rinnen.
Und zur milden Lampe drinnen
Kehrst du wie im Traume ein.

Georg Trakl (1887 - 1914)
österreichischer frühexpressionistischer Dichter und Lyriker
 
(Nutzer gelöscht) 13.11.2020 15:16
https://youtu.be/tfqEcSQHK1c
HerzJetzt kostenlos registrieren