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Ich hasse meinen Job

Ich hasse meinen Job
Tut mir leid Leute, aber ich muss mich jetzt mal wieder auskotzen.

2 Blogs ("Keine lebenserhaltenden Maßnahmen?" von Kultur und "Verfügungen" von Zaya) und ein mehr als besch... Nachtdienst haben mich voll getriggert. Eigentlich sollte ich jetzt im Bett liegen und schlafen, aber das klappt heute so überhaupt nicht. Da laufen Räder im Kopf, die nicht zum Stillstand kommen wollen.

Wenn ihr in beiden Blogs meine Einträge seht, dann werdet ihr vielleicht verstehen warum.

Tagtäglich bin mit Situationen konfrontiert, die einen physisch und psychisch an die Grenzen bringen. Ich hab´s gut im Griff - sehr gut sogar. Nur manchmal nicht ... heute überhaupt nicht....

Gerade die Erinnerung an meine Begegnung mit einer "Hirntoten" in Bergneustadt haben mich wieder emotional destabilisiert. Und heute im Nachtdienst ein Exitus. 1000ende Fragen. Haben wir alles richtig gemacht? Habe ich alles richtig gemacht? Haben wir was übersehen? Habe ich was übersehen? War´s nicht vielleicht besser so? Wie geht´s den Angehörigen jetzt? Was war er für ein Mensch?

In der Koje daneben ein Erfolg, aber wir wissen nicht was daraus wird. Wie wird es weitergehen? Haben wir ein Leben gerettet oder Leiden verlängert? Habe ich mit meinen Handlungen ein Leben gerettet oder Leiden verlängert? Was ist richtig, was ist falsch?


Wir sind ein Team! Wir sind ein richtiges Team! Ärzte und Pflege zusammen. Wir treffen alle Entscheidungen immer zusammen. Wir verlassen uns auf die Ärzte und sie sich auf uns. Wir bestimmen im Team- jeder einzelne hat eine Stimme - ob wir weitermachen oder aufhören. Wir stehen auf der einen Seite des Bettes und auf der anderen Seite der verdammte Typ mit diesem breiten Grinsen. Er ist unser Gegner. Wir wollen ihn um jeden Preis zeigen, dass wir besser sind als er. Wir sind es nicht immer. Aber wäre es nicht manchmal besser ihn gewinnen zu lassen?

Heute weiß ich tatsächlich nicht, ob ich das alles noch will. Ich will nicht mehr verlieren. Ich will nicht mehr in die ängstlichen Augen eines Menschen schauen müssen. Ich will nicht mehr Angehörigen sagen, dass der Typ auf der anderen Seite besser war als wir. Ich will nicht mehr, dass sich jemand bei uns bedankt, weil wir gewonnen haben. Ich will nicht mehr, dass ein ehemaliger Patient mit einer Flasche Wein vor mir steht und sich bedankt, weil ich ihm 2 Stunden die Hand gehalten habe.

Ich habe jeden Tag mit dem absolut wertvollsten Gut - dem Leben zu tun. Ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr Entscheidungen treffen, ich will nicht mehr verlieren, ich will nicht mehr gewinnen, ich will keinen Dank.

Ich hasse meinen Job ... aber ich kann mir für mich keinen anderen oder besseren vorstellen.


Schreibt mir bitte jetzt nicht, dass ich zur Supervision gehen soll. Die haben wir regelmäßig, aber sie funktioniert bei keinem von uns.  Schreibt auch bitte nicht wie toll die Pflege ist. Wir sind nicht toll - wir machen nur unseren Job und bekommen Geld dafür. Keine Ahnung was ich jetzt eigentlich erwarte. Ich bin einfach momentan leer...

Sorry Leute, das musste jetzt einfach raus.... Danke !

Kommentare

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Erynyen 19.06.2023 14:41
Das ist ganz menschlich ....ich glaube jeder der lange in der Pflege und maximal und intensive Versorgung arbeitet kennt das Gefühl...ich auch ...
 
sonnele 19.06.2023 14:42
😊
 
Schmusekater 19.06.2023 14:47
Ich hätte eine Weiterbildung zum Trauerbegleiter in einem Hospiz machen können.
Das habe ich abgelehnt, ich kann das einfach nicht!
Großen Respekt vor eurer Arbeit, Tom!
 
Lalope 19.06.2023 14:55
Ich glaube, jeder Mensch versucht in seinem Job das Beste zu geben (mit Ausnahmen). Und es gibt natürlich Jobs,  wo es nicht emotional behaftet ist, was man tut. 

Aber mehr kann man nicht. Du bist- ihr seid - nicht Gott. Es gibt einfach auch das Schicksal. Es gibt Kinder, die müssen sterben und es gibt garstige Leute,  die werden 100. Das ist das Leben.
Auch wenn sich das jetzt platt und pragmatisch anhört. Ich verstehe schon, was du fühlst.

Vielleicht wäre für dich jetzt trotzdem menschlicher, realer Kontakt am hilfreichsten? Auch um zu gucken, warum dich genauso das triggert? Fühl dich mal umarmt!
 
Lalope 19.06.2023 14:56
genauso= genau
 
Tomturbo 19.06.2023 14:58
@Erynyen: ja, das Gefühl kommt zwischendurch immer mal kurz auf. Heute hat´s aber ganz heftig zugeschlagen. Seit Stunden laufen die verdammten Räder im Kopf. Angst, Selbstzweifel, keine Ahnung. Kann mir derzeit auch keine Auszeit nehmen. Und jetzt noch der Zwang, dass ich morgen wieder funktionieren muss.
 
(Nutzer gelöscht) 19.06.2023 15:00
Vorab:
Ich habe 1986–1989 Krankenschwester gelernt, konnte aber aufgrund von starken Ekzemen und Allergien (Desinfektionsmittel, Latex usw.) nur ein halbes Jahr in dem Beruf arbeiten.

Ich ziehe meinen Hut vor Dir, dass Du so lange in dem Beruf tätig bist, ich weiß nicht, ob ich heute noch unter den Bedingungen „auf Station“ arbeiten würde.

Ich werde nie vergessen, was uns der Ausbilder in der ersten theoretischen Stunde gesagt hat, diese Sätze sind heute noch prägnant:

"Wir können nicht alle Patienten retten, dass Leben endlich ist".

Du schreibst, Du willst nicht mehr verlieren.

Ich bin mir sicher, dass Du und das Team alles gegeben habt, mehr konntet ihr nicht tun und
sicher habt ihr euch auch nichts vorzuwerfen.
Wenn es Zeit für den Patienten war zu gehen, dann ist es so, auch wenn es schwer ist, das zu akzeptieren.
Für mich hatte das nichts mit "gewinnen" oder verlieren", zu tun, hatte es nie, auch wenn es während meiner Lehrzeit schon so hieß.

Ich bin keine Ärztin, aber was Du beschreibst, klingt nach einem Burnout, kann das sein?

Auf jeden Fall alles Gute für Dich!
 
Lalope 19.06.2023 15:03
Das mit dem keine Auszeit nehmen können ist auch so eine Sache. Wenn man es nicht selber tut, wird einem das dann auch oft vom Leben verpasst. Hör auf deine  Bedürfnisse 
 
(Nutzer gelöscht) 19.06.2023 15:11
Ich reiche noch ein "ist" nach.
"Wir können nicht alle Patienten retten, dass Leben ist endlich".
 
KichererbseLE 19.06.2023 15:23
Ich finde das wichtig, dass alles mal in Worte zu fassen und aufzuschreiben. Ich glaube, das erdet und man kommt im realen Leben an. 

Ich habe nicht nur gute Erfahrungen mit Ärzten und Pflegern gemacht, viele werden mit der Zeit betriebsblind, sicherlich auch eine Schutzfunktion. 

Auch Menschen, die mit und an Menschen arbeiten, sind Menschen.

Ich glaube nicht, dass du deinen Job wirklich hasst. Es ist wie mit Kindern, man liebt sie über alles, aber manchmal muss man sie mehr als lieb haben. 😉

Wenn möglich, ruh dich auf deine Art und Weise aus, versuche dich zu spüren und wahrzunehmen. 

Und freue dich darüber, wieviel du bereits tun könntest.
 
KichererbseLE 19.06.2023 15:23
Konntest.
 
(Nutzer gelöscht) 19.06.2023 15:25
"Ich hasse meinen Job ... aber ich kann mir für mich keinen anderen oder besseren vorstellen." 

Du weist doch ganz genau weshalb du der Berufung nach gehst, die Menschen brauche dich! 

Der wichtigste Schutz ist aber der Selbstschutz! Nur so kannst du auch für andere auf Dauer da sein! 

Aber schlaue Sprüche, du solltest vielleicht versuchen eine Perspektive zu schaffen, bis zum..... entscheide ich fest wie es weiter geht, ab dem ........ kann ich nur noch 0,75 arbeiten. Ein zeitlicher Rahmen oder sogar Frist kann eine Hilfe sein um noch etwas Kraft zu nutzen. Zeitlicher Rahmen ist ganz ganz wichtig in Belastungsgrenzen.

Zweifeln sind menschlich, aber auch hier weißt du ganz genau das du immer dein Beste gegeben hast. Auf manche Sachen hat man keinen Einfluss.

Ganz viel Kraft für die nächste Schlacht.
 
Tomturbo 19.06.2023 15:28
@Lalope: Du bist- ihr seid - nicht Gott

Du kannst nichts dafür, aber gerade hast du eine andere schmerzliche Erinnerung in mir aufgerufen.

Ich war ganz junger Pfleger gleich nach dem Diplom und ich habe Gott gespielt. Ich habe vorübergehnd auf einer Kurzreha gearbeitet und auf einen Platz auf Langzeitpflege gewartet. Es war im Sommer. Ich ging gerade in den Nachtdienst. Vor dem Pavillon waren ein paar Patienten mit Besuchern. Gerade als ich reingehen wollte ist eine alte Dame zusammengebrochen. Ein großer Aufschrei. Ich sofort hin. Stillstand. Ich habe sofort mit CPR begonnen und sie ist leider wieder angesprungen. Ca. 3 Wochen später wurde ich dann endlich auf die Langzeitpflege versetzt. Die Frau hatte sich wieder erholt. Sie war Patientin auf dieser Station und für mich die Hölle. Bei der CPR sah ich, dass sie rechts unterhalb des Schlüsselbeins einen dicken Verband trug, aber das war natürlich für mich nicht von Bedeutung. Sie hatte ein offenes Mamma-Ca, welches in die Lunge und die Wirbelsäule metastasierte. 6 Monate lang hat sie mir jeden Tag vorgeworfen was ich ihr angetan habe. Ich hatte ihr die Chance auf einen raschen Sekundentod genommen und sie monatelang dahinsiechen lassen. Hätte sie noch ein Monat länger gelebt, hätte ich meinen Job gewechselt. Ärzte und Kollegen haben mir - unabhängig von ihrer Erkrankung - erklärt, dass ich schon aufgrund ihres Alters einen schweren Fehler begangen habe. Ihr Name war Rosa S. und ich werde ihr Gesicht und ihren Ausdruck niemals vergessen.
 
Drea1962 19.06.2023 15:31
Es ist ein Wunder, dass Du nach so vielen Jahren noch so empfindsam bist und nicht abgestumpft. Was ja auch ein Selbstschutz sein kann.

Du darfst Dich heute schlecht fühlen, denn Du bist ein Mensch und keine Maschine! 
Da Du für Deinen Beruf brennst, wirst Du morgen mit Sicherheit Deinen Dienst leisten. 

Weiss nicht, ob es etwas gibt, wo Du Dich geistig ablenken kannst? Vielleicht hier...
 
Melodien 19.06.2023 15:36
Hallo Tom, ich weiß zwar nicht so genau, wer auf der anderen Seite ein breites Grinsen hat. Aber Mediziner können sich nur bemühen und ihr Bestes geben, aber das letzte Wort über Leben und Tod spricht nicht der Mediziner, wie du selber feststellst. Ihr überschätzt euch oft.

 Mach mal einen richtigen erholsamen längeren Urlaub, lass die Seele baumeln und schau auch ab und zu mal, auf die vielen Kinder die geboren werden und Lebendigkeit ausstrahlen. 
 
Lalope 19.06.2023 15:36
Das ist genau das, was ich bei dir vermutet habe. Nicht verarbeitete, traumatisierende Ereignisse. 
Weißt du, auf mich wirkst du hier so, als würdest du immer über den Dingen stehen und alles unter Kontrolle haben. Fast schon arrogant. Sorry meine Direktheit. 
Meist sind das jene Menschen, die dahinter sehr viel Verletzung haben. Ich möchte dir nicht zu nahe treten und du kannst mich auch Klugscheißer nennen. Für mich fühlt es sich trotzdem so an, als hättest du da noch was aufzuarbeiten.
 
(Nutzer gelöscht) 19.06.2023 15:49
Tomturbo 
Auch wenn ich verstehen kannte, dass die alte Dame  damals lieber gestorben wäre...
Du warst doch  verpflichtet , " Rosa" wiederzubeleben ...sonst wäre es ...unterlassen Hilfeleistung " gewesen 🤔
 
Tomturbo 19.06.2023 15:51
@Lana1967: ich glaube, dass es noch kein Burnout ist. Wahrscheinlich eine verzögerte Nachwirkung von Corona, das zufällige Zusammenfallen alter Erinnerungen durch die Blogs, der besch... Nachtdienst, die zwei kleinen weinenden Kinder mit ihrer Mutter vor der Stationstüre und dem Wissen, dass ihr Papa nie wieder nach Hause kommt. War heute offensichtlich nicht so ganz mein Tag.
 
Maria57 19.06.2023 15:54
Ich sende Dir eine vielleicht ein bisschen wenigstens beruhigende Umarmung❣️

Auch ich kann so manches schlimme Schicksal aus meiner medizinischen Zeit nicht vergessen.

Du bist sehr stark und wichtig. Aber jetzt ruhe Dich erstmal aus.

Liebe Grüße. Schön, dass es Helfer wie Dich gibt.🌹
 
(Nutzer gelöscht) 19.06.2023 15:56
Das verstehe ich nur zu gut, ich hoffe, Du kommst im Laufe des Tags noch "zur Ruhe"!
Alles Liebe für Dich!
 
Tomturbo 19.06.2023 15:58
@Dirndl2: das stimmt. Wenn es gelingt, die Situation rasch und möglichste zuverlässig einzuschätzen, dann kann man auch etwas weniger engagiert handeln. Dann ist es keine unterlassene Hilfeleistung. Die Zweifel im Hinterkopf magst dann aber auch nicht haben.
 
(Nutzer gelöscht) 19.06.2023 16:09
" Gott gespielt" hättest du meiner Ansicht nach , wenn du dir  gedacht hättest..
...na ja ...Zeit zu sterben , für diese alte Frau ..da  muss ich mich jetzt nicht mehr großartig anstrengen.. Das sie so schwer krank war , konntest du ja nicht ahnen.. 
 
(Nutzer gelöscht) 19.06.2023 16:13
Ich bin immer schon sehr beeindruckt, wie man lernt , sich abzugrenzen.. von all den  Schicksalen .anderer Menschen
..Ich könnte das nicht ..
 
Tomturbo 19.06.2023 16:13
@Lalope: das stimmt. Es wird immer Dinge geben, die man einfach nie wirklich verarbeiten kann. Besonders dann, wenn man emotional stark involviert ist. Vielleicht ist es aber sogar gut, dass man nicht immer alles abhacken kann. Ich denke, dass es hilft, nie in eine oberflächliche Routine zu verfallen. Es hilft achtsam zu bleiben.

Ich bin nicht beleidigt, wenn du meinst, dass ich manchmal arrogant rüberkomme. Du kennst nur mein geschriebenes Wort. Nicht aber meine verbale Ausdrucksweise, Mimik und Körpersprache. Ich habe meine Stärken und Schwächen und das ist auch gut so. Aber natürlich hängt man die Schwächen nicht mit Absicht gleich an die große Glocke. Und dass ich der Größte und Schönste bin steht ja auch schon in meinem Profil.
 
Tomturbo 19.06.2023 16:29
@Melodien: uns sind unsere Grenzen sehr wohl bewusst. Wenn aber vor der Stationstüre am Gang eine Mutter mit zwei Kindern sitzt, dann willst du unbedingt, dass sie nicht trauernd nach Hause gehen müssen. Du willst, dass sie ihren Papa und Ehemann behalten. Du willst deine Grenzen nicht akzeptieren.


Je weniger man über den Patienten weiß, desto besser. Man kann Vermutungen anstellen. Vielleicht hat er Familie, vielleicht dies und das. Wennst aber dann kurz aus der Station rausgehst - wir haben da eine kleine Küche für uns - und du siehst die wartende Frau mit den Kindern, dann verändert sich das schlagartig.
 
maine13 19.06.2023 16:39
Danke für deine offenen Worte... wünsch dir viel Kraft!!!
 
rollihexle 19.06.2023 16:46
@Tom, das ist ein Thema, auf das wir alle unterschiedlich reagieren.
Den Job oder alles, was da in deine Richtung geht, könnte ich nicht machen.


Auf Weg in Stadt kurz vor 14 Uhr bin ich an ner Kirche vorbei, wo Leute draussen standen und gewartet haben dass die Trauerfeier anfängt. So was zeigt (mir) dass, das Thema einfach da ist. Der Tod ist Bestandteil unseres Lebens.
 
Maskentanz 19.06.2023 16:54
Tomturbo, ich habe gerade gar keine klugen Worte für dich. Danke, dass du deine Erfahrungen, dein Erleben mit uns teilst. Ich wünsche dir, dass sich bei dir durch dein auskotzen wenigstens ein bisschen etwas sortiert. Alles Gute für dich. 
 
Mohnblume 19.06.2023 16:56
@ Tom ,es ist gut ,dass es Menschen wie dich gibt, die trotz der schwierigen Lage , dem chaotischen Gesundheitssystem und auch diesem dauerhaften...Immerkämpfenmüssen und doch immer wieder , am seine Grenzen zu stoßen, damit konfrontiert werden zu müssen , das Leben eines Menschen ,eben nicht retten zu können ,ihn verloren zu haben. Dein Job ist mehr als nur ein Job, es ist eine / deine Berufung und du sagst es ja selbst , auch wenn es dich gerade runter zieht , du / ihr einen Kampf um ein Menschenleben verloren hast / habt. Es steht dir zu , genau so zu reagieren , wie du es gerade tust , dich zu hinterfragen und doch selbst zu wissen, auch wenn du  / ihr alles gibst ,/ gebt ,so gibt es eben Situationen , wo alles nichts mehr nützt und ein Mensch eben sterben muss , du selbst verzweifelt Angehörigen gegenueber stehst und dich fragst ,wo ist der Sinn und warum?
Wir alle müssen froh und dankbar sein ,fuer genau solche Menschen wie dich , die nicht nur ihren Job machen ,sondern dabei , oft bis an ihre Grenzen gehen und darüber hinaus , nur aus einem Grund , anderen Menschen ,denen esgerade nicht so gut geht ,versuchen zu helfen und alles in eurer Macht stehende dafuer zu tun.
 
Lena26 19.06.2023 17:02
Tom, ich wünsche Dir viel Kraft. 
Ich finde es toll das es Menschen wie Dich gibt die offensichtlich mit großer Leidenschaft ihrem Job nachgeben. 👍🏻
 
Tomturbo 19.06.2023 17:12
@Schunkeltruppe: ja ich weiß...der Selbstschutz ... ich arbeite eh dran und er funktioniert eigentlich auch immer ganz gut. Heute haperts a bissl ...

Drea1962: das hier ist tatsächlich für mich eine Ablenkung. Ich muss auch zugeben, dass ich euch jetzt ein bisschen missbrauche. In der realen Welt bin ich in solchen Situationen eher der Rückzugstyp. Ich möchte nicht Menschen gegenübersitzen, sie anjammern und damit belasten. Ihr seid - verzeiht bitte den Ausdruck - virtuell. Ihr könnt euch aus der Situation rausnehmen. Ihr braucht nicht zu lesen und ihr braucht nicht zu antworten. Ich hoffe halt nur, dass sich niemand das alles zu sehr zu Herzen nimmt. Es ist nicht meine Absicht euch damit zu belasten. Mir ist damit aber wirklich geholfen, dass ich es mal rausbringe.

Abstumpfen kann ich - muss schon sagen leider - nicht. Es geht um das Leben von Menschen und nicht um ein Auto wo es egal ist, ob es einen Kratzer im Lack hat. Wäre ich jetzt Fliesenleger und eine Fliese zerbricht, dann nehme ich halt eine andere. Ein Leben ist unersetzlich und jeder von uns hat nur eines. Deshalb poltere ich ja auch immer herum, wenn ich sehe, wie Menschen achtlos mit ihrer Gesundheit umgehen.

@Dirndl2: das mit der Abgrenzung ist so eine Sache. ich bin froh, dass ich nach dem Dienst 75km nach Hause fahren muss. Mit jedem Kilometer bleibt ein kleines Stück hinter mir. Wenn ich dann durch meine Gartentüre gehe, dann das ist alles vergessen. Ich spreche eher auch selten im privaten Umfeld über meinen Job. Wenn aber - so wie heute - Kinder ins Spiel kommen, dann wird´s eng. Wenn ich die dann auch noch sehe, dann ist´s vorbei. Da habe ich in mehr als 30 Jahren noch immer keine Strategie gefunden. Ich bin damit auf der Station nicht alleine. Ärzte und Kollegen gehen dann auch regelmäßig in die Knie. Vor ca. 2 Stunden habe ich kurz mit einem Kollegen aus der heutigen Nacht telefoniert. Wir wollten nicht über die Arbeit reden, aber seine ersten Worte waren: "Alter, die Kinder heute habe ich nicht gepackt" Kinder sind und bleiben meine Achillesferse.
 
Tomturbo 19.06.2023 17:18
@Kultur: Ich bin doch kein Prototyp. Es gibt zum Glück ganz viele davon. Trotzdem danke!
 
Tomturbo 19.06.2023 17:29
@ALLE: herzlichen Dank für eure aufmunternden Wort. Nur nochmal: ich wollte mir das jetzt wirklich mal von der Seele schreiben und kein Fishing for compliments betreiben. Ich glaube der richtige Ausdruck dafür ist Psychohygiene....oder so halt. Auch kritische Wort nehme ich gerne an. Sie sind doch immer wieder ein guter Anlass mal über seine Fehler und Defizite nachzudenken.

Ich werd jetzt tatsächlich mal eine kleine Pause einlegen und mir meine Gedanken aus dem Kopf radeln.
 
Sabsi1977 19.06.2023 17:53
Tomturbo, du kannst ja auch nett sein 😆
Spaß beiseite. Ich war fast 5 Wochen auf der Intensivstation. In der ersten Woche wurde ich zweimal reanimiert. Ich muss mich bei euch allen vom ganzen Herzen bedanken.
 
SchwarzeKatze 19.06.2023 18:58
Ich stelle es mir sehr belastend vor, Erlebnisse in diesem Bereich zu verarbeiten. Ich denke, dass es wichtig ist, irgendwie einen Mittelweg zu finden. Es nicht wie ein Schwamm in sich aufzusaugen, aber auch nicht abzustumpfen und Menschen als Objekte zu betrachten. Allein, dass Du diesen Post verfasst hast, zeigt ja, dass Du sehr reflektiert bist. Und das Erlebnis mit der Frau (Rosa): Ich bin mir sicher, dass Du in diesem Moment Dein Bestes gegeben hast, so wie eben zu dem Zeitpunkt Dein Kenntnisstand war. Und Du hast daraus gelernt und würdest jetzt bestimmt anders handeln. Das Leben ist auch kontinuierliches Lernen und Erfahrungen sammeln und selbst dann hat die Natur auch noch ein Wort mitzureden und das können wir kaum beeinflussen.

Danke, dass Du ein Mensch geblieben bist, denn das zeigt Dein Post. Wäre es nicht so, dann hättest Du Dir nicht diese Fragen gestellt. 
 
Melodien 19.06.2023 19:04
Tom, du hast geschrieben :
........ Du willst deine Grenzen nicht akzeptieren..... 
Das heißt übersetzt :
...... Ich will meine Grenzen nicht akzeptieren..... 

Denk noch mal darüber nach, was du da geschrieben hast.😉
 
Sabsi1977 19.06.2023 19:07
Tomturbo, wie hält man eine Intensivstation so lange aus? Rundherum piepst es, ständig wo ein Alarm, das Brummen von den Matratzen, die ganzen Geräte, Infusionen, Kabel, Schläuche, Blubbern von Wasser, Jammern, Stöhnen und überall blinkt es in allen Farben. Das macht doch die Psyche kaputt.
 
Neffi 19.06.2023 19:20
Ich könnte den Job nicht machen und habe Respekt vor jedem der ihn macht. Und dennoch gewinnt der Sensenmann so oder so irgendwann...
 
Tomturbo 19.06.2023 20:27
Bin 26km mit dem Rad gefahren. Kopf ist jetzt wieder etwas freier. Danke!

@rollihexle: natürlich gehört der Tod zum Leben. Das Problem ist dann aber oft der Zeitpunkt, die Umstände, usw.

@Maskentanz: das hier jetzt mal alles rauszulassen und auch eure Beiträge haben mir wirklich geholfen.

@Mohnblume: danke !

Das immer desolater werdende Gesundheitssystem macht den Job noch schlimmer. Ressourcen werden immer knapper und Menschen sterben sinnlos, weil z.B. nicht genügend Personal da ist und Betten gesperrt sind.

@Sabsi1977: freut mich, dass die Kollegen es geschafft haben. 5 Wochen und 2 CPRs sind schon eine Nummer.

Wie man das so lange aushält? Da spielen mehrere Faktoren zusammen. Ich höre das alles nicht wirklich. Man blendet einfach das Unwesentliche aus. Mich interessiert nur Alarm. Erst wenn ich mich ins Auto setze merke ich oft, wie ruhig es eigentlich sein kann. Dann fällt mir die Stille mehr als die ganzen Geräusche auf.  Ein weiterer Punkt ist, dass wir ein Rotationssystem haben. Wir arbeiten entweder auf der Intensiv oder der Notfallambulanz. 2 Arten von Stress mit Abwechslung. Und der letzte Faktor ist, dass ich mit Absicht im hintersten Winkel von unserem Dorf wohne. Da gibts nur meine Zufahrt und sonst nichts. Felder, Wiesen, ein paar Bäume, Hasen und Rehe.

@SchwarzeKatze: danke ! Ich habe ja zum Glück meinen Mittelweg. Heute bin ich leider etwas aus der Spur gefahren. Morgen ist ein neuer Tag...

@Zaya: Du kannst doch nichts dafür, dass mich was getriggert hat. Es war halt der Zufall, dass da jetzt ein paar Dinge zusammengekommen sind.
 
Tomturbo 19.06.2023 21:43
@Melodien: ich weiß was ich da geschrieben habe. Es gibt die Grenzen und wir sind uns dieser auch wirklich bewusst. Nur wo sind sie? Sie sind verschieblich. Sind sind bei einem Patienten nicht dort, wo sie beim anderen waren.

Ich bin ja froh, dass sich in über 30 Jahren so einiges angesammelt hat. Somit kann ich dir wieder ein sehr einprägsames Beispiel nennen.

Es war der 1. August 2011. Auch ein Tag, den ich nie vergessen werde. Eine frisch diplomierte Kollegin (Lisi)  hatte ihren ersten" Dienst" bei uns. Es sollten eigentlich nur mal ein paar sog. Schnuppertage werden, da man die Intensivausbildung erst nach 5 Jahren Berufspraxis beginnen kann. Es war aber Urlaubszeit und da freut man sich über jede helfende Hand. Zur Mittagszeit bekamen wir einen Stillstand rein. Männlich, 34a, beim Tennisspiel plötzlich zusammengebrochen. Ein Sanitäter war gerade am Tennisplatz und begann sofort mit der CPR. Besser kann es ja fast nicht laufen. Ich war gerade am Nebenbett bei einer Patientin und selbst nicht an dem Fall aktiv beteiligt.  Die junge Kollegin  stand starr vor Schreck in der Ecke der Koje. 2 Ärzte und 2 Kollegen versuchten alles. Ein Schock nach dem anderen, beim Laden manuell, dann wieder Schock. Alles reingespritzt was möglich war. Nichts ging, absolut nichts. Nach rund 40 Minuten fragte der Oberarzt "Einstellung?". Alle nickten. Und dann war da diese unbeholfene, ängstliche Stimme aus der Ecke "Bitte 1x noch, nur 1x" Alle wussten, dass es sinnlos war. Sie taten es nicht für den Patienten, sie taten es für Lisi. Der Patient sprang wieder an. Seit dem 1. August 2011 bekommen wir jährlich einen Geschenkkorb und seit 8 Jahren liegt immer ein Foto von einem kleinen Jungen dabei.

Wo war die Grenze? Von uns aus war die Grenze erreicht, für Lisi noch nicht.

In 30 Jahren erlebt man so oft Dinge, die lt. Lehrbüchern absolut nicht möglich sind, aber man erlebt sie trotzdem. Vor ca. 5 Jahren traf ich auf der Straße in Wien eine Frau, für die ich ein paar Jahre zuvor  im Auftrag der Oberärztin bereits die Totenpapiere vorbereitet hatte. Schau dir mal die Geschichte von der Hirntoten in Bergneustadt an. Steht im Blog "Keine lebenserhaltenden Maßnahmen" von Kultur. Möchte nicht wissen, wie es den Ärzten dort ging, als sie erfuhren, dass sie ganz schön verkackt hatten, obwohl sie alles richtig machten.

Verstehst du was das Belastende ist? Nicht zu wissen ob, man es wirklich bis zur Grenze durchgezogen hat. Wir sitzen sehr oft nach Dienstende zusammen und sprechen alles nochmal durch.

Natürlich könnte jeder von uns auch sagen, ach was, wir haben es versucht, aber war halt nix. Gibt eh genug Menschen auf dieser Welt, haben eh Überbevölkerung. Oder einer der dümmsten Sprüche: " Die Ärzte und die Pflege haben es gut. Die können ihre Fehler begraben"

So sind wir nicht, so bin ich nicht und so möchte ich auch niemals sein.
 
Tomturbo 19.06.2023 22:28
@Neffi: Nicht immer!  Ich habe da mal in Ägypten eine Mumie reanimiert und die hat dann an der Seite von Brendan Fraser eine Hauptrolle bekommen 😜
 
rollihexle 20.06.2023 09:55
@Tomturbo 19.06.2023 um 20:27, da hast recht mit.
 
Siebenpunkt 20.06.2023 18:00
ich hatte heute Nachtdienst und musste die ganze Zeit an deine Verzweiflung denken, Tomturbo.
Durch die Pandemie gekämpft und nun dem Ausgebranntsein nahe, wundern täte es mich nichtl. Nun gehts dir wieder besser, pass auf dich auf und nehme dich mal raus, falls es doch mal zuviel ist.
 
Tomturbo 20.06.2023 22:26
@Siebenpunkt: Es wird schon wieder. Der Tag war heute ok. Leider hab ich jetzt im Sommer keinen Urlaub. Möchte auch die Kollegen nicht hängen lassen. Werd dann mal nach dem 15. September auf die Bremse steigen.
 
Siebenpunkt 21.06.2023 02:01
na dann drücke ich die Daumen, komm gut durch den Sommer und genieße die freien Tage doppelt, wenns geht zwinkerndes Smiley
 
ame 22.06.2023 12:57
Dein Job ist hart.Hier zu jammern bringt dir nichts.Wenn du es nicht mehr schaffst suche dir eine Stationsleitung.Hier kann dir keiner helfen.
 
Schmusekater 22.06.2023 13:01
Da ist die liebe ame wohl gerade eben von einer besonderen Station entlassen worden🤔
 
Maskentanz 22.06.2023 13:07
Ich habe es nicht als jammern empfunden 🤔.
 
Schmusekater 22.06.2023 13:15
Geht mir genau so, Maskentanz.
Einfach nur dummes gerede ohne den Sinn des Blogs verstanden zu haben.
 
(Nutzer gelöscht) 22.06.2023 13:53
ame22.06.2023 um 12:57, wie ist der Kommentar zu verstehen?¿?

Es ist ein emotionaler Blog, ich finde die Einblicke aber sehr interessant, der BE kann die vielen anderen Kommentare sicherlich gut einschätzen. 

Und Stationsleitung? Meinst du Turbo sollte sich um den Posten einer Stationsleitung bewerben? 
 
(Nutzer gelöscht) 22.06.2023 14:00
Stationsleitung ist ja häufiger so etwas wie der Prellbock zwischen Geschäftsleitung und Pflegekräfte. Im reinen Pflegebereich gibt's häufig keine Stationsleitung mehr, Dezentralisierung. Und Menschen.mit Herz lehnen den Posten für 2€ mehr ab.
 
Lena26 22.06.2023 14:16
Ame meinte glaube ich das Tom zur Station Leitung gehen soll, wenn er Probleme hat. Nur das das nix nützt oder zumindest nicht viel. 
 
(Nutzer gelöscht) 22.06.2023 14:24
Lena, glaube ich nicht. Dann wäre es wohl nicht mit 'eine" Formuliert. Im jetzigen Bereich ist es ja sowieso ein Kollegah, mit dem ein enger kollegialer Kontakt besteht. (schlüssige Annahme)
 
Tomturbo 22.06.2023 17:47
@ame: Ich bin und bleibe Frontkämpfer. Hatte schon genug Möglichkeiten um eine Stationsleitung zu übernehmen. Das ist aber nichts für mich. Ich bin kein Schreibtischtäter und ich brauche den Patientenkontakt. Außerdem passt es nicht in mein privates Konzept, dass ich von Montag bis Freitag arbeite. Ich brauche einfach meine Nächte und meine freien Tage unter der Woche. Die 200-300 Euro mehr im Monaten können mir das auch nicht schmackhaft machen. Lebensqualität hängt bei mir nicht vom Geld ab.

Noch was: ich wollte hier nicht jammern. Bei mir ist ganz einfach mal der emotionale Topf übergegangen. Ich hab´s aber wieder im Griff !!!
 
Sabsi1977 22.06.2023 23:14
ame, ich hätte jetzt nicht gesehen, dass Tomturbo gejammert hat. Ich glaube, dass er sich einfach mal ausreden wollte. Ich glaube auch, dass ihm die vielen positiven Beiträge geholfen haben und ihm auch ein Zeichen der Wertschätzung für seinen Beruf übermittelt wurde.
Für mich war der Blog auch dahingehend sehr interessant, weil er auch mal die andere Seite beleuchtet hat. Ich hatte zuvor nur die Sicht als Patientin auf der Intensivstation. Jetzt verstehe ich auch die Belastung des Personals, wenn sie den Angehörigen die schlechten Nachrichten überbringen müssen. Die psychische Belastung in so einer Situation muss unermesslich sein. Zuerst verliert man einen Patienten und dann muss man das auch noch möglichst schonend der Familie sagen. Das würde ich niemals durchstehen.
Für mich sind das die wirkliche Engel und sie haben mich zweimal nicht aufgegeben. Tausend Dank!
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